Rückblick: TrauerRaum in Innsbruck

Bereits zum dritten Mal konnten wir gemeinsam mit dem Verein Klangraum Jesuiten in der Krypta der Jesuitenkirche den TrauerRaum öffnen. Die vielen Klagen-, Dank-, oder Bittschreiben zeigen uns, wie dankbar Menschen aus Nah- und Fern dieses Angebot annehmen. Hier auch ein großes Danke an die Jesuiten, besonders auch an Pater Peter Fritzer und den Mesner Ehwald!

trauerraum Innsbruck 2016 2

Notizen im Gästebuch TrauerRaum Innsbruck:

„Es ist gut den Raum und die Zeit zum Trauern zu haben. Das schmerzt sehr, löst aber auch. Danke! Ingrid“
„Die Kunst, Räume zu öffnen für das Wesentliche. Hier ist es gelungen. Danke.“
„Ich darf meine Sehnsucht und Trauer spüren und meine Seele spürt Leichtigkeit. Danke Margit“

Zum Abschließen und Abrunden der TrauerRaum Tage gehen wir wie immer an den Inn. Mitten in der Stadt, an einer ruhigen Stelle, am Wasser zu sein tut der Seele einfach gut.

Wir treffen uns um all die Klagen und Versöhnungsbänder zu verbrennen. Jedes Jahr erlebe ich einerseits die Kraft und andererseits die beruhigende Wirkung des Feuers intensiv. Es berührt mich, all die Klagen, Bitten und Wünschen der Menschen zu verbrennen, den Rauch in den Himmel steigen sehen und dann die Asche dem Wasser zu übergeben.

Die vielen Lastensteine vertrauen wir auch dem Wasser des Inn an und erst dann sind für mich diese intensiven Tage im TrauerRaum gut abgeschlossen.

Maria Streli-Wolf

Trauerraum – Erfahrungen

Strahlender Sonnenschein begleitet mich am Vormittag des zweiten Novembertages auf dem Weg zur Jesuitenkirche. Ich werde für vier Stunden in die Krypta abtauchen, was für ein Kontrast! Ich werde dieses wunderbar strahlende Herbstlicht gegen das Halbdunkel eintauschen. Will ich das jetzt wirklich? Welche Kälte, welche Finsternis herrschen in einem Trauerraum?

Ich sehe Angelika und freue mich. Gemeinsam betreten wir die Unterkirche, die uns mit ihrem stets gleichbleibenden Dämmerlicht und ihrer kühlen Temperatur umfängt. Wir landen in der Stille. Ich kann die Kerzen flackern hören.

Ganz lassen wir unsere Betriebsamkeit zunächst noch nicht zurück. Ich sammle die Gläser der abgebrannten Kerzen vom Vortag ein, Angelika stellt neue auf, ich zünde an. So viele Kerzen anzünden: Danke dafür, Licht weitergeben zu können! Gelegentlich will ein Docht die Flamme nicht annehmen: Geduld – nur ein bisschen – schon springt das Feuer über. Beinahe fängt auch mein Schal Feuer: Vorsicht, selber nicht ausbrennen beim Weitergeben des Lichts!

Einige der hier Bestatteten kannte ich persönlich. Erinnerungen werden wach und führen mich in meine Vergangenheit. Vieles konnte ich damals nicht verstehen. Heute sehe ich fast alles anders, es offenbart sich mir in einigen Bereichen mehr Sinn. Sinn zu erkennen braucht bei mir Zeit zum Reifen. Wir erhaschen immer nur kleine Ausschnitte, das Erkennen des Großen, Ganzen bleibt wohl für das Sein in der Einheit.

Besucher kommen auf leisen Sohlen und flüstern: deutsch, englisch, italienisch … viele gönnen sich ein paar Minuten Zeit zum Schweigen. Sich Einlassen auf das, was ist. Wie schwer ist das? Wie bedrohlich? Erst recht, wenn das, was ist, Trauer heißt und mich aufzufressen droht. Mir den Verstand raubt, meine ganze Kraft aufbraucht, mich in die Knie zwingt. Ertrinke ich darin? Tauche ich jemals daraus wieder auf? Wie schaut dann meine Welt aus? Verlustschmerz -Angst vor Veränderung – Transformation durch Leid. Ich selber habe erfahren dürfen, dass es das gibt: Transformation durch Leid – und durch Liebe. Was sonst kann uns so aufrütteln, dass wir uns verändern müssen?

Eine Besucherin bringt eine rote Rose, ein Danke an uns für die Zeit, die sie geschenkt bekommen hat, für das Gespräch mit ihr, für die Gestaltung des Raumes. Raum geben anderen Menschen in unserem Inneren, sich öffnen. Manchmal gelingt das besser, dann wieder gar nicht. Ich habe gelesen: Zur Offenheit muss man sich ent-schließen. Es ist ein bewusster Akt, immer wieder von neuem.

Ich ordne die Postkarten unter dem Baum mit den aufgeknüpften weißen Bändern. Sie sind Zeichen des Verzeihens. Verzeihen: andern gegenüber geht das fast leichter als mir selber gegenüber. Welche Ansprüche habe ich an mich? – Ich brauche die Erfahrung, dass es jemand gibt, der Geduld hat mit mir und mir verzeiht. Danke dafür! – Wie wenig Geduld habe ich? Geduld lerne ich nur durch geduldig sein (müssen). Jeder Mensch handelt zu jedem Zeitpunkt so, wie es seinem Bewusstsein gerade entspricht. Das gilt auch für mich.

Leise durchflutet die Musik von Avo Pärt die Gewölbe, es gelingt mir mich davon durchdringen zu lassen. Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Einfach zulassen … das was gerade ist. Ohne Meinung dazu, ohne Bewertung, ohne Kommentar. Ruhe kommt in meine rasenden, aufgeregt flatternden und schweifenden Gedanken, die oft wie gefräßige Vögel ständig nach Futter gieren.

Nach vier Stunden werden wir abgelöst. Ich beeile mich wieder ans Licht zu kommen, an die frische Luft. Die Geräusche und Gerüche der Stadt erreichen mich wieder.

Am Heimweg singe ich, und es überkommt mich eine fröhliche, fast ausgelassene Dankbarkeit: für meine Familie und Freunde, für meine Lebenssituation, für all die Menschen, mit denen ich in den unterschiedlichen Kontexten zu tun habe. Und mittendrin nehme ich etwas wahr, was ich zuerst gar nicht so recht glauben kann: Dankbarkeit auch für die schwarzen, schweren Zeiten und Begegnungen. Alles, was nicht gelungen scheint, ist da inbegriffen. Hoffnung erfüllt mich, dass alles irgendwann seinen Sinn ergibt. Nur heute erkenne ich ihn noch nicht.

Monika Niedermayr

Wir danken Monika Niedermayer von der Hospizgruppe Innsbruck Land für ihre Eindrücke aus dem TrauerRaum Innsbruck.

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