„Als nächstes werde ich als Prinzessin geboren“ – Leben mit ALS

Michaela Oberschmid hat ALS, Amyotrophe Lateralsklerose. Die fortschreitende Erkrankung der Bewegungsneuronen führt zur Muskellähmung. Sie ist nicht heilbar, eine medikamentöse Behandlung kann den Verlauf aber verzögern. Michaela Oberschmid wird vom Mobilen Palliativteam der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft betreut. Die Tirol Kliniken und die Tiroler Hospiz-Gemeinschaft bieten Menschen mit der Erkrankung ALS Hilfe an, um ihr Leben mit der Erkrankung zu erleichtern und ihre Lebensqualität zu erhalten. Betroffene, Angehörige und Betreuende erhalten Informationen und Unterstützung für den Umgang mit der Erkrankung im Alltag.

Stephanie Stocker, Diplomkrankenpflegerin und Mitarbeiterin im Mobilen Palliativteam und im ALS-Netzwerk, sprach Michaela Oberschmid über ihr Leben mit der Erkrankung.

Was hat sich durch die Erkrankung verändert?

Alles. Mein Leben wurde total auf den Kopf gestellt. Vorher war bei mir alles „full time“ – mein Job, die Familie, Haustiere, Freunde und Bekannte. Von jeden Tag 120 Prozent wurde mein Leben auf Slow Motion, also 75 Prozent, heruntergebremst. Und dann kam die Diagnose ALS. Es ist so schlimm, dass man nichts machen kann! Keine Chemo, bei der man ein bisschen Hoffnung auf Genesung hätte, keine Perspektive, auch keine klitzekleine. Ich habe mich gefragt: Wie bringe ich das nur meiner Familie bei, meinem Arbeitgeber? Ich war 29 Jahre im selben Betrieb, das war wie mein zweites Wohnzimmer dort.

Jetzt bin ich zu Hause und genieße einmal das süße Nichtstun, am Anfang habe ich noch Kochrezepte ausprobiert, die Wohnung etwas umgestaltet, zu basteln angefangen und ein bisschen in den Matriken, also Personenregistern, Tirol, geschmökert. Das macht mir übrigens immer noch viel Spaß. Freunde kommen mittlerweile zu mir nach Hause auf Besuch, ich mag nicht mehr so gerne öffentlich etwas trinken oder essen. Ich benötige mittlerweile beim Kaffeetrinken fünf bis sechs Servietten, das ist daheim einfach feiner und unkomplizierter. Gekocht wird auch nur mehr wenig, mehr aufgewärmt in der Micro. Meine Schwägerin nimmt mir viel Arbeit ab und mein Mann hilft fest bei der Pflege.

Was hat bei oder nach der Mitteilung der Diagnose gefehlt?

Ein Büro neben dem Arztzimmer, wo jemand sitzt, der oder die mich weiterhin gerne begleitet, eine Person, die Aufklärung leistet, vielleicht jemand, der selbst ein Handicap hat. Stattdessen wurde mir einfach ein Folder vom Hospiz in die Hand gedrückt. So in etwa, das ist jetzt deine Anlaufstelle, weil wir können nichts mehr tun. Zack, das war’s! Ich dachte, ich müsste übermorgen schon sterben. Palliativ und Hospiz, ich kannte mich überhaupt nicht aus und kannte keinen Unterschied. Dann habe ich sofort alles in die Wege geleitet, Erwachsenenvertretung, Patientenverfügung und mittlerweile auch eine Sterbeverfügung.

Es kann einem in dieser Situation nur jemand beistehen, aber mit einem fühlen kann nur jemand, der selbst betroffen ist. Das kann man nicht fremdfühlen. Diese Situation muss man selbst erleben. Aber mir stehen ganz viele liebe Menschen bei, manche näher, manche etwas weiter weg – das sind diejenigen, die ganz schlecht mit so einer Lage umgehen können. Aber ich verstehe auch die. Mit denen muss man halt anders reden. Da muss ich dann selbst zum Spaßmacher mutieren, damit sie meine Diagnose ertragen können.

„Ich genieße meine Faulenzertage mit meiner Familie, die mich sehr oft besucht, und meine Hunde, die mich glücklich machen. Was benötigt man mehr?“

Was ist besonders schwierig?

Gehen, greifen, Gleichgewicht halten, essen, trinken. Alles ist sehr schwierig. Es dauert, bis man begreift, dass ab jetzt alles nur mehr sehr, sehr langsam geht, dass man nicht mehr so am öffentlichen Leben teilnehmen kann und mag. Es ist herausfordernd, neue Beschäftigungen zu suchen und auch solche zu finden, die ich noch ausüben kann. Meine Kraft hole ich mir in meinem Glauben. Ich bin katholisch, aber ich bin auch fast sicher, dass ich als nächstes als Prinzessin geboren werde.

Wie war der erste Besuch im Hospizhaus Hall?

Das Hospizhaus ist ein sehr einladender, warmer Ort mit viel Freundlichkeit, angenehmen Farben, gutem Café und tollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich kenne das Hospiz noch, als es in Innsbruck war, meine Tante ist dort verstorben. Damals war es schon eine ganz tolle Einrichtung, die ich nur in guter Erinnerung habe.

Nach einem Traum oder einem großen Wunsch fragen mich immer wieder Menschen, und ich denke mir immer: Mir fällt ehrlich gesagt gar nichts Besonderes ein. Ich genieße meine Faulenzertage mit meiner Familie, die mich sehr oft besucht, und meine Hunde, die mich glücklich machen. Was benötigt man mehr?

Stephanie Stocker, Diplomkrankenpflegerin

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