Leben mit ALS

Peter Seeber spricht im Interview mit Petra Hillebrand über seine ALS-Erkrankung. Die Abkürzung ALS steht für Amyotrophe Lateralsklerose.

Sie leben mit der Diagnose ALS. Wann wurde bei Ihnen diese Diagnose gestellt und was hat sich bei Ihnen dadurch verändert?

Ich kann nicht genau sagen, wann die ersten Symptome der ALS-Erkrankung aufgetreten sind. Beharrlich ließ ich verschiedene medizinische Untersuchungen durchführen, die keine eindeutige Diagnose lieferten. Es hat etwa 9 Monate gedauert, bis im Oktober 2022 ALS mit bulbärer Symptomatik als Diagnose festgestellt wurde. Seit der Diagnose habe ich begonnen, mich zu organisieren und mir selbst zu helfen. Ich habe unter anderem eine Patientenverfügung erstellt, einen Reha-Antrag gestellt und Behandlungsscheine für Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie erhalten. Wichtig war mir dabei alle Therapieunterlagen schriftlich zu erhalten, sodass ich sie zu Hause in Ruhe studieren und später selbstständig anwenden konnte. Seit November 2022 versuche ich regelmäßig ins Tageshospiz zu gehen, wo ich ärztliche Betreuung, Therapien und Beratung erhalte. Trotz der unheilbaren Krankheit fühle ich mich gut aufgehoben und versuche, die mir verbleibende Zeit bestmöglich zu nutzen.

Gibt es etwas, das Sie sich nach der Diagnosestellung gewünscht hätten?

Nach der Diagnose ist man oft zunächst sprachlos. In solch einem Moment hätte ich mir gewünscht, mehr über die weltweite Forschung, Behandlungsmöglichkeiten, Medikamente und den Verlauf der Krankheit zu erfahren.

Was hat Ihnen geholfen/hilft Ihnen, die vielen Veränderungen in Ihr Leben zu integrieren?

Mir hat geholfen, mich intensiv mit der Krankheit auseinanderzusetzen und zu versuchen, die Symptome zu akzeptieren. Zusätzlich bemühe ich mich, meinen Alltag so normal wie möglich fortzuführen, indem ich zum Beispiel Karten spiele oder mich um meinen Garten kümmere. Mein technisches Interesse, das ich als EDV-Systemadministrator an der Uni Innsbruck hatte, hilft mir auch dabei, meine Computergeräte an meine Bedürfnisse anzupassen, damit sie mir Unterstützung bieten können.

Ein Beispiel dazu: Ich verwende einen Sprachcomputer namens TOBII, den ich speziell für die Verwendung im Bett vorkonfiguriert habe. Aufgrund meiner operierten Augen steuere ich den TOBII mit meinem rechten Auge.

Ein weiteres Beispiel: Aufgrund des Gewichts von mindestens 2-3 Kilo ist es schwierig, den TOBII Sprachcomputer mitzunehmen. Als leichtere und handlichere Alternative habe ich mein iPhone 12 Pro so konfiguriert, dass ich damit in der Notizen-App schreiben kann. Der geschriebene Text wird dann von Siri vorgelesen, dem ich eine männliche Stimme gegeben habe. Auf diese Weise kann ich jederzeit und ohne großen Aufwand unverständliche Wörter erklären..

Was war/ist schwierig?

Es war/ist sowohl früher als auch aktuell eine Herausforderung, mitanzusehen, wie trotz aller Anstrengungen Muskelmasse verloren geht und die eigene körperliche Kraft abnimmt. Zudem erfordert es große Anstrengung, immer konzentriert zu sein, um sich beispielsweise nicht zu verschlucken oder zu stolpern. Diese ständige Aufmerksamkeit führt zu schneller Ermüdung. Zusätzlich neigt man leicht dazu, in Tränen auszubrechen, wenn eine einfühlsame Redewendung oder Handlung stattfindet, wie zum Beispiel eine berührende Predigt oder liebevolle WhatsApp-Nachrichten.

Was gibt Ihnen Kraft?

Meine Zielstrebigkeit ist es, der Krankheit nicht die Oberhand zu lassen und meine Fähigkeiten so lange wie möglich zu bewahren. Ich überwinde meinen inneren Schweinehund und trainiere täglich die verbliebenen Fähigkeiten. Zudem liebe ich es, alles gut zu organisieren. Seit meiner Reha habe ich viele Unterlagen aus der Logopädie gesammelt und ich schätze den Austausch mit anderen ALS-Patienten während meines Besuchs im Tageshospiz.

Wie war es für Sie, das erste Mal ins Hospizhaus zu kommen?

Ich war erleichtert, als ich das erste Mal ins Tageshospiz kam, und fühle mich dort rundum gut aufgehoben. Das Hospiz war mir nicht fremd, da meine Schwester bereits im Jahr 2007 für drei Wochen dort aufgenommen wurde.

Gibt es einen Lebenstraum, den Sie sich noch gerne erfüllen würden?

Auf den Mars fliegen ;-).

Liegt Ihnen etwas am Herzen, das Sie den Leser*innen des Hospiztagebuchs oder anderen Betroffenen gerne mitteilen würden?

Ich würde allen Betroffenen sagen „aufgeben tut man nur einen Brief.“ Es ist auch wichtig, dass das Umfeld der Betroffenen genauso denkt wie du selbst. Das bedeutet, dass ich der Krankheit mit Realismus begegne, aber auch mit einem Hauch von schwarzen Humor. Meine Familie, Freunde und mein Umfeld haben sich mit der Krankheit vertraut gemacht, indem sie Informationen im Internet gesucht haben. Und sie versuchen nicht, die Krankheit zu beschönigen.

Täglich denkt man: „so eine sche!* Krankheit … wie komme ich dazu? … womit hab‘ ich das verdient?“. Die Symptome gehen unbeirrt ihren Weg. Egal wieviel man dagegen ankämpft oder versucht, positiv zu denken. Aber schlussendlich geht man am besten in den Alltag über und versucht, sich über Kleinigkeiten zu freuen.

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