Zart, zerbrechlich und mit unbändigem Lebenswillen, das war Leonie. Wenn die Kinderhospizbegleiterinnen Susanne Partoll, Nathalie Scheiber und Sabine Hosp von Leonie erzählen, dann spürt man in jedem Wort, dass dieses Mädchen etwas Besonderes gewesen sein muss. Leonie kam mit einem Herzfehler und anderen körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen zur Welt. Und obwohl sie nicht sprechen, sondern nur lauten konnte, war Leonie immer in der Lage, ihren Willen unmissverständlich auszudrücken. Sie wusste ganz genau, was sie will und was nicht. Bianca, ihre Mama, kämpfte vom ersten Moment an für Leonie wie eine Löwin. Sie setzte alles daran, dass Leonie trotz ihrer Beeinträchtigungen am Leben teilhaben kann. Nicht am Rand, sondern in der Mitte sollte Leonies Platz sein. So war es für ihre Eltern Bianca und Christoph selbstverständlich, dass die Stube im Haus zugleich Leonies Zimmer war, dass sie in die Schule gehen sollte, Freunde und Freundinnen hatte und mit zwölf Jahren in der Ötztaler Tracht im Kreise der anderen Jugendlichen gefirmt wurde.
Das Kinderhospiz kommt! Ist es jetzt so weit?
Als es Leonie gesundheitlich schlechter ging, wurde sie zu Hause vom Team kidsMOBILtirol palliativ betreut, das auf Kinder und Jugendliche mit begrenzter Lebenserwartung spezialisiert ist. In die Begleitung eingebunden war außerdem das Kinderhospizteam der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft. Bianca erinnert sich noch genau an den ersten Anruf von Sabine Hosp, der Leiterin des Kinderhospizteams: „Als Sabine bei mir angerufen hat, war ich geschockt, als ich das Wort Hospiz gehört habe. Mein Gedanke war: Ist es jetzt so weit? Geht es jetzt um das Sterben unseres Kindes? Das Wort Hospiz hat mich sehr betroffen gemacht, und erst da habe ich realisiert, dass unser Kind sterben wird. Die Informationen, was das Kinderhospizteam macht und anbietet, konnte ich in dem Moment nicht erfassen. Heute noch kann ich sagen, wo ich zu Hause stand, als Sabine angerufen hat. Nach dem Telefonat mit ihr habe ich meinen Mann angerufen und später nur geweint. Mein Mann hat mich beruhigt, für ihn war klar, dass es jetzt nicht um das Sterben, sondern um ein gutes Leben für Leonie geht.“


So viel Leben
Von da an kamen Sabine, Susanne und Nathalie abwechselnd alle zwei Wochen zu Leonie, Bianca und Christoph nach Hause. Mit der Zeit wuchs das Vertrauen und alle spürten, wie sehr sich Leonie über die Besuche freute. Die anfängliche Schwere wandelte sich in Leichtigkeit. Leonie liebte Musik, und so nahm Susanne regelmäßig ihre Harfe mit. Ganz nah schmiegte sich Leonie an Susanne und lauschte den Klängen. „Einmal, als ich ohne Harfe da war“, erzählt Susanne, „drehte sich Leonie unmissverständlich weg von mir. In ihrem Gesicht konnte man sehen, dass etwas nicht in Ordnung war.“ „Heute passt es ihr nicht“, meinte Bianca, „weil du deine Harfe nicht mitgenommen hast.“ Von da an war es klar, dass die Harfe immer dabei sein musste. Susanne, Nathalie und Sabine musizierten, sangen oder lasen Leonie vor, und das nicht leise oder flüsternd. Leonie liebte es laut. Auch ohne mit Leonie sprechen zu können, fühlten die Kinderhospizbegleiterinnen bald, wie stark das Band zwischen Bianca, Christoph, Leonie und ihnen war – „vielleicht sogar ein noch stärkeres, als wenn wir mit Leonie hätten sprechen können“, meint Nathalie.
So viel Nähe
Nach einem Jahr veränderte sich Leonie. „Als ihr uns schon seit einem Jahr begleitet habt“, erinnert sich Bianca, „spürte ich, dass die Zeit kommen wird und ich Leonie gehen lassen muss.“ Nathalie, Susanne und Sabine blieben, auch mit ihrer Musik. Aber nun war alles viel leiser, weil Leonie das Laute nicht mehr mochte, dafür mehr Berührung und Körperkontakt. „Manchmal spielte ich über eine Musikbox leise Herzfrequenzmusik, ich nahm Leonie in meine Arme und wir atmeten im gleichen Rhythmus. Einfach nur so – es war so nah, so innig“, beschreibt Nathalie diese Zweisamkeit mit Leonie in ihren letzten Lebenswochen.
Bis zum Sterben …
In den letzten drei Wochen wurde es auch im Haus von Bianca und Christoph immer leiser. „Anfänglich kam unglaublich viel Besuch“, erzählen Sabine, Susanne und Nathalie, „Familie, Verwandte, Freundinnen, Mitschüler und Klassenkolleginnen.“ Alle wollten noch bei Leonie sein. „In der Stube, in der Leonie ihren Platz hatte, war ein ständiges Kommen und Gehen“, erinnern sie sich. Bis Bianca und auch Christoph spürten, dass nun die Zeit gekommen war, Leonie loszulassen. Ein Babyphone neben Leonie hielt die Verbindung in die angrenzende Küche, die Tür zur Stube blieb offen, die Gäste waren in Hörweite von Leonie. Es wurde stiller, Besucherinnen setzten sich nur noch einzeln an Leonies Bett. „Es war die Ruhe, die es für das Abschiednehmen brauchte“, meint Nathalie. In der Stille der Nacht zum 24. April tat Leonie, in der Stube zwischen Bianca und Christoph liegend, ihren allerletzten Atemzug.
… und darüber hinaus
„Fast feierlich war es dann am nächsten Tag“, erzählt Susanne. Bianca und Christoph wünschten sich, auch die letzten Schritte noch gemeinsam mit den Kinderhospizbegleiterinnen zu gehen. Eine besondere Ehre war, dass Susanne und Dinike, eine Mitarbeiterin von KidsMobiltirol, Leonie für ihre Verabschiedung anziehen durften. Bianca, Leonies Oma und Taufpatin, alle halfen mit. Jede*r trug auf ihre oder seine Weise etwas dazu bei, Leonie noch über ihren Tod hinaus die letzte Ehre zu erweisen. Wenn Bianca heute auf diese Zeit zurückblickt, dann spürt sie eine große Trauer, aber auch viel Dankbarkeit: für die wunderbaren Jahre mit Leonie, aber auch für die große Unterstützung vom Kinderhospizteam: „Ihr wart so hilfreich für uns, eine Unterstützung mit ganz viel Liebe. Wir konnten mit euch über alles sprechen, ihr seid geblieben, wenn es schwierig war, habt uns in den Arm genommen, das hat uns gutgetan. Wir haben gewusst, ihr seid immer für uns da.“
Maria Streli-Wolf, Öffentlichkeitsarbeit