Der Wunsch zu sterben – wie damit umgehen?

„Menschen, die sterben wollen versuchen wir mit Respekt und Offenheit begegnen. Es gilt, gemeinsam einen Weg zu suchen, die letzte Lebenszeit erträglicher zu gestalten.“ Andrea Knoflach-Gabis, Ärztliche Direktorin

„Ich will nicht mehr leben! Helfen sie mir doch!“ Frau S. bei der Aufnahme auf die Palliativstation. Wie wir aus der Forschung wissen, sind Todeswünsche von Patient*innen, die an einer nicht heilbaren Erkrankung leiden, sehr vielschichtig. Sie haben individuell unterschiedliche Ursachen und Ausprägungen. Wie können diese Todeswünsche nun aussehen? Sie drücken sich aus im Wunsch nach baldigem Sterben im Sinne einer gewissen Lebenssattheit, dem Hoffen auf einen baldigen Beginn der Sterbensphase bis hin zu einer Suizidalität mit einem gewissen Handlungsdruck. Häufig besteht in den Patient*innen sowohl der Todeswunsch als auch der Wunsch zu leben. Die Intensität dieser beiden Wünsche kann sich im Lauf der Zeit hinweg mehrmals ändern.

Was will uns Frau S. mit ihrer Aussage sagen?

Sie meinte: „Ich will so nicht mehr leben.“ Sie litt an wiederkehrenden Schmerzen und wünschte sich nicht den Tod, sondern das Ende dieser unerträglichen Situation. Ihre Gedanken kreisten nur noch um ihre Schmerzen. Sie hatte Angst davor, dass sie noch stärker würden und dass sie ihrer Tochter zur Last falle. Sie konnte an nichts anderes mehr denken, nicht mehr an das, was sie immer so gern tat, wie Tee zu trinken und mit ihrer Tochter zu reden, einfach am Leben teilzunehmen. Nach der Umstellung der Therapie im Rahmen einer interdisziplinären Behandlung änderte sich ihre Situation und sie konnte die ihr verbleibende Zeit mit ihrer Tochter auch noch genießen.

Was können wir tun?

Unser Ziel ist es, konkret auf die jeweilige Situation der oder des Kranken einzugehen und uns folgende Frage zu stellen: Was ist im Moment so belastend und gravierend, dass der Wunsch, nicht mehr leben zu wollen, im Vordergrund steht? Genau hier müssen wir mit der Betreuung ansetzen. Wir versuchen bestmöglich auf die Nöte und Bedürfnisse des betroffenen Menschen und seiner Umgebung einzugehen.

Häufig ist der Rückzug der Umgebung der erste Reflex auf die Todeswunschäußerung der Patientin oder des Patienten. Genau dem müssen wir entgegenwirken und das Gespräch suchen. Die Gespräche sollten sehr offen sein und voll Interesse und Respekt für das Denken, Erleben und Handeln der Patient*innen. Er oder sie muss sich ernst genommen wissen. Die Haltung des Respekts beinhaltet nicht zwangsläufig eine Zustimmung. Es ist das Ziel, den Wunsch der Patientin oder des Patienten auszuhalten, sie oder ihn empathisch zu begleiten.

Den Teufelskreis von Angst, Schmerzen und anderen Symptomen durchbrechen

In der Betreuung gilt es, den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit zu sehen. Sämtliche Aspekte unseres Menschseins sind zu berücksichtigen: der körperliche, der psychische, der soziale und der spirituelle. Von den verschiedenen Berufsgruppen wie Seelsorger*innen, Psycholog*innen, Ärzt*innen und Pfleger*innen wird das Vorliegen von Hoffnungslosigkeit, Hilfslosigkeit, Sinnlosigkeit, Aussichtslosigkeit, Glaubensverlust sowie Depressivität erfasst und behandelt bzw. Unterstützung angeboten.

Eine wichtige Ursache für den Todeswunsch sind unzureichend behandelbare Symptome, darunter massive Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Aber auch Atemnot stürzt Patient*innen immer wieder in massive Nöte und Angstzustände, durch die sich die Situation immer weiter verschlimmert. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen.

Es kann viel gegen das Leid getan werden

So können im Bereich des Schmerzes beispielweise mit dem heutigen Wissensstand, mit den verschiedensten Medikamenten, Eingriffen und Behandlungen beeindruckende Ergebnisse erzielt werden. Die medikamentöse Therapie wird unterstützt durch pflegerische Maßnahmen wie Einreibungen mit Schmerzöl, Lagerungstechniken, Aromatherapie, Wickel und vieles mehr. Ebenso können physiotherapeutische Maßnahmen (Massagen, Lockerung der Muskulatur, gezielte aktive und passive Übungen usw.) die Beschwerdesituation der Patient*innen verbessern. Auch Interventionen von Seiten der Seelsorge und der Psychologie bringen mitunter Entlastung. In Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Professionen muss ein für die Patientin oder den Patienten individuell entwickelter Therapieplan erstellt werden. Dies gilt nicht nur für Schmerzen, sondern für sämtliche Symptome. Wichtig sind dabei die enge Kooperation und die Kommunikation zwischen Patient*innen, Betreuer*innen und Behandler*innen und den Angehörigen. Die medizinische Indikation und der Wunsch der Patientin oder des Patienten sind dabei die Pfeiler für die Therapieentscheidungen. In den Gesprächen über Todeswünsche sollen das Therapieziel und die daraus resultierenden Entscheidungen über Beginn, Fortsetzung und Beendigung medizinischer lebenserhaltender Maßnahmen angesprochen werden.

Als letzten Ausweg gibt es die Möglichkeit, einer palliativen Sedierung

Leider kann es vorkommen, dass Symptome von Palliativpatient*innen trotz aller Therapieversuche nur unzureichend beherrschbar sind. In diesen ausgewählten Fällen können wir eine palliative Sedierung zur Symptomkontrolle anbieten. Hier wird das Bewusstsein der Patientin oder des Patienten durch überwachten Einsatz von Medikamenten herabgesetzt. In ganz einfachen Worten ausgedrückt, wird er oder sie in einen Schlafzustand in unterschiedlicher Länge und Tiefe versetzt.
Alle Personen, die Patient*innen, die einen Todeswunsch äußern, nahestehen, sind bestrebt, den Wünschen der oder des Schwerkranken in der letzten Phase ihres oder seines Lebens zu entsprechen und diese zu erfüllen. Dieses verständliche und nachvollziehbare Bestreben kann die Nahestehenden dieser Patient*innen sehr unter Druck setzen. Darum ist es wichtig, die Angehörigen mit einzubeziehen.

Das Leben zu Ende leben

Wir haben immer wieder die Erfahrung machen dürfen, wie im geschilderten Fall von Frau S., dass der Wunsch nach vorzeitiger Lebensbeendigung in dem Maße in den Hintergrund tritt, in dem es gelingt, trotz der bestehenden Grenzen von Palliativmedizin und Hospizarbeit durch eine gute Behandlung und ganzheitliche Betreuung unter Berücksichtigung aller vier Dimensionen (körperlich, psychisch, sozial und spirituell) auch die letzte Lebenszeit erträglich zu gestalten. Mehrfach durften wir auch die Dankbarkeit unserer Patient*innen erleben, die schlussendlich ihr Leben zu Ende leben konnten. Oft gelang es den Patient*innen gerade in dieser letzten Lebensphase, noch viel zu bewirken, was sie mit Stolz, Befriedigung und Dankbarkeit erfüllte.
Für uns ist das Leben das höchste Gut. Das Sterben und der Tod sind Teil unseres Lebens. Unser Ziel ist es, das Leben bis zuletzt für unsere Patient*innen und ihre An- und Zugehörigen so gut wie möglich zu gestalten und durch unsere ganzheitliche Sichtweise für die Menschen bis zuletzt die bestmögliche Lebensqualität zu erreichen.

Andrea Knoflach-Gabis, Ärztliche Direktorin

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