Nicht ausblenden, sondern annehmen

Maria Streli-Wolf über den „Mut, auch traurig sein zu dürfen“ – von Manuel Matt.

Wechselhaft ist das Wetter auf dem Ozean des menschlichen Empfindens. Wie genussvoll ist das Leben des Seefahrers, wenn eine sanfte Brise der Hoffnung weht, uns freundlichen Gefilden entgegentreibt, am Horizont die Freude lacht – doch auch so fürchterlich die Wogen des Verlusts, der Sog der Abschieds, das ziellose Treiben in tristen Gewässern. Gewiss stürmische Gezeiten, die nicht im Schiffbruch enden müssen, sofern wir die See nicht fürchten. Dann nämlich kann die Trauer das Land in Sicht sein, wo sich Wunden in der Brandung zu schließen beginnen. Wie dafür die Segel gesetzt werden könnten, erklärte jüngst Trauerberaterin Maria Streli-Wolf auf Einladung des Ötztaler Hospizteams im Saal „Ez“ in Oetz.

Eine einnehmende Persönlichkeit, und nicht zuletzt ebenso eine Frau, die weiß, wovon sie spricht: Immerhin ist die Tiroler Erziehungswissenschaftlerin Maria Streli-Wolf nicht nur Trauerbegleiterin und Mitarbeiterin der Tiroler Hospizgemeinschaft, sondern in erster Linie ein fühlender Mitmensch, der eben erst ein geliebtes Familienmitglied verabschieden musste. Wenn der Tod auch ein unleugbarer Bestand des Kreislaufs sein mag, so ist seine Stunde zweifellos schwer zu ertragen. Selbst dann, wenn wir ihm mit jenem Mut begegnen, den Maria Streli-Wolf beeindruckend an diesem Abend demonstriert: Nicht anhand von großen Worten und Weisheiten, sondern im bloßen Halten eines Vortrags so wenige Tage nach dem Verlust, im Sprechen über das eigene Erleben und Fühlen. Natürlich, ohne Pathos und Kosmetik, aus dem Herzen heraus, von Mensch zu Mensch.

Aus dem Kummer wird Kraft

„Eigentlich weiß ich gar nicht, wie es mir geht“, beginnt die Vortragende und spricht so vermutlich zahlreichen Schicksalsgenossen aus der Seele. Denn so recht präsent ist die Trauer im Alltag nur selten, „traurig sein wird uns oft abgewöhnt“, sagt Streli-Wolf. So lernt der Mensch meist bereits als Kind, dass Gefühlsregungen wie Weinen gut verborgen werden wollen. Dementsprechend fürchten wir als gut konditionierte Erwachsene jene Tür, hinter der die unverarbeitete Trauer zusammen ihren Schwestern unter den negativen Grundgefühlen zu lauern pflegt – eine Tür, die sich ja vielleicht nie mehr schließen lässt. Dabei braucht die Trauer aber Zeit und Raum, die offene Auseinandersetzung, manchmal Stille, manchmal Ausdruck und Verständnis. „Gut tut, wenn nichts sein muss“, weiß Streli-Wolf, „und das Messer, das man anfangs spürt, wird milder.“ Wer der Trauer freimütig Einlass gewährt, findet in ihr vielleicht Trost, vielleicht eine Befreiung von auferlegten Masken und ausgeübter Kontrolle, vielleicht sogar die Möglichkeit zur Neugeburt. Ganz gewiss ist sie aber ein Beweis, diese Trauer, verrät Streli-Wolf – dafür, dass wir keine lebenden Toten sind.

Dieser Artikel erschien am 6. März in der Oberländer Runschau. Wir danken Manuel Matt für die Erlaubnis diesen in unserem Hospiz Tagebuch zu veröffentlichen.

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