Die letzte Lebensphase stellt für Patient*innen und ihre Angehörigen eine besondere Herausforderung dar. Eine ganzheitliche Betreuung, die körperliche, soziale und spirituelle Bedürfnisse berücksichtigt, ist dabei von großer Bedeutung. Unsere Mitarbeiter*innen und ehrenamtlichen Begleiter*innen müssen sich immer wieder auf neue Krankheitsverläufe und Lebenssituationen – sei es zu Hause, auf unserer Palliativstation, im Tageshospiz, bei ehrenamtlichen Begleitungen oder auch in Zeiten der Trauer – einlassen. Dabei geht es immer um ein Zusammenspiel fachlich professioneller Perspektiven mit einem persönlichen, menschlichen Zugang – für jeden individuell und im Zusammenwirken unserer unterschiedlichen Teams. Nur so kann eine Betreuung und Begleitung am Lebensende, die den Anspruch hat, ganzheitlich zu wirken, gelingen.
Aber sollte das nicht in unser aller Leben ein wesentlicher Beitrag sein, um miteinander in Verbindung zu stehen, miteinander zu leben, zu arbeiten, uns zu entwickeln und nach guten Lösungen zu suchen? Der KZ-Überlebende, Neurologe, Psychiater und Begründer der Existenzanalyse Viktor Frankl tat den Ausspruch, unsere persönliche Einstellung und Haltung, unser Tun und Handeln in jeder Situation sei unsere letzte und endgültige Freiheit. Darin sehe ich aber auch die Aufforderung, zu beachten, dass es für alle Fragen und Situationen immer verschiedene Sichtweisen gibt.
Aus der Enge in die Weite
Dafür ist es allerdings notwendig, die Fähigkeit zu entwickeln, im Geist einen Schritt zurückzutreten, um mehr vom große Ganzen sehen zu können. Jede Situation, der wir im Leben gegenüberstehen, entsteht aus dem Zusammenwirken vieler Facetten, die beachtet werden müssen. Der oft zitierte Overview-Effekt, also der Überblickseffekt, ist eine Möglichkeit, aus der eigenen Enge herauszusteigen, genauso wie der Astronaut, der aus seiner Raumkapsel auf die Erde blickt, eine völlig neue Perspektive bekommt.
Starke Emotionen machen es uns oft schwer, den entscheidenden Schritt zurückzutreten und andere Blickwinkel und Lösungsmöglichkeiten zu erkennen. Gerade dann ist es hilfreich, wenn mehrere Menschen ihre Erfahrungen, ihr Wissen und ihre Perspektive zur Verfügung stellen. So verweben sich auch in unserer Arbeit immer wieder vielschichtige Bemühungen, um fachlich kompetente und menschliche Sichtweisen zusammenzuführen. Letztendlich ist es ein immer wiederkehrendes Ringen um eine bestmögliche Begleitung am Lebensende und die Fürsorge der Angehörigen. Auch wenn unser aller Alltag von Routine und zeitlichen Abläufen getaktet und beeinflusst ist, geht es stets um die achtsame Wahrnehmung der Geschichten, die das Leben schreibt.
Marina Baldauf, ehrenamtliche Vorsitzende