Covid-Krise im Pflegeheim

„Corona wird Spuren hinterlassen, doch die Dankbarkeit bleibt.“ Interview mit der Pflegedienstleiterin Barbara Hackhofer im Haus Elisabeth in Silz

Wohn- und Pflegeheime stehen während der Corona-Pandemie vor großen Herausforderungen. Gerade deshalb ist es wichtig, Räume bereitzustellen, um über die Erfahrungen von COVID-19 im Kontext von Krankheit, Tod und Sterben zu reden und zu reflektieren. Der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft ist es ein Anliegen, diese Räume zu ermöglichen, zu unterstützen und zu begleiten.

Barbara Hackhofer, Pflegedienstleiterin des Pflegewohnheimes Haus Elisabeth, und ihr Team bereiteten sich nach dem ersten Lockdown auf Grund von COVID-19 im Frühjahr 2020 genauso wie die Mitarbeiter*innen vieler anderer Institutionen intensiv auf den Herbst und Winter vor, um für eine erneute Ausnahmesituation gewappnet zu sein. Als die Zahlen im Herbst wieder im Steigen waren, traf es das Heim im November in voller Härte – innerhalb kürzester Zeit wurden mehr als die Hälfte der Mitarbeiter*innen und annähernd die Hälfte der Bewohner*innen COVID-positiv getestet. In einem Interview lässt uns Frau Hackhofer Einblick nehmen in eine Zeit, die, wie sie selbst sagt, zu den schlimmsten ihres Lebens gehört.

Frau Hackhofer, Sie haben sich sehr zielgerichtet und auf den unterschiedlichsten Ebenen auf einen neuerlichen Lockdown vorbereitet. Wie hilfreich waren die von Ihnen erarbeiteten Konzepte als es dann so weit war? Welche Maßnahmen konnten Sie umsetzen?

Barbara Hackhofer: Wir wurden leider nicht verschont und nie im Leben habe ich mir das Ausmaß so vorgestellt. Nachdem innerhalb von wenigen Tagen zwölf Bewohner*innen COVID-positiv getestet worden waren, brauchten wir statt der bereits geplanten einen Isolierstation zwei, die dementsprechend mit Personal besetzt werden mussten. Sehr dankbar bin ich für den von uns erarbeiteten Krisenleitfaden und den Besuch im Wohnheim Ebbs, der uns viele Anregungen gebracht hat. Wir hatten ausreichend Schutzkleidung, Videos über richtiges An- und Auskleiden, einen Leitfaden für die Errichtung einer Schleuse sowie richtiges Ein- und Ausschleusen. Die Isolierstationen bedeuteten für die Bewohner*innen dort, nicht alleine im Zimmer bleiben zu müssen, sondern Kontakt zu anderen Bewohner*innen auf der Isoliereinheit zu haben, gemeinsam zu essen und sich am Gang und im Aufenthaltsraum etwas die Beine vertreten zu können. Auch für die Pflegepersonen bedeutete die klare Trennung eine Erleichterung: kein ständiges Ein- und Ausschleusen in ein Zimmer, das Ermöglichen von Aktivierungen, sogar eine kleine Geburtstagsfeier konnte gestaltet werden.

Geholfen hat auch ein Fragebogen zu Ressourcen und Selbstfürsorge, den ich für meine Mitarbeiter*innen erarbeitet und auf dessen Grundlage wir bereits im Sommer Gespräche geführt hatten, in denen wir offen über persönliche Grenzen und die eigene Belastbarkeit sprechen konnten. Ich wusste also, wer in welchem Ausmaß einsatzbereit war und wer sich bestimmte Dinge nicht zutraute.

Aber sehr viele unserer Wünsche und geplanten Vorgehensweisen traten in der akuten Krise ganz schnell in den Hintergrund und konnten bzw. durften erst wieder zum Einsatz kommen, als der Ausnahmezustand vorbei war. Das betraf zum Beispiel den Umgang mit Menschenrechten in Bezug auf Freiheit und Autonomie oder auch die ganzheitliche Pflege vor allem im Bereich der psychosozialen Unterstützung mit unseren Partner*innen aus Seelsorge und EhrenamtDie vorgeschriebenen Maßnahmen haben uns den Bewohner*innen gegenüber zum Teil zu Täter*innen werden lassen und uns in kaum aushaltbare Situationen gebracht. Ich glaube nicht, dass sich jemand von außen vorstellen kann, was es heißt, bei demenzkranken Menschen einen Abstrich durchführen zu müssen – gerade bei diesen Menschen, die nicht verstehen, was und warum jetzt gerade so viel Unverständliches mit ihnen geschieht. Diese Erfahrungen haben sich uns allen eingeprägt, damit müssen wir nun leben.

Es geht für uns immer um die Bewohner*innen, um ihre Lebensqualität, Sicherheit, Freiheit und Gesundheit. Genauso wichtig sind aber die Mitarbeiter*innen. Wenn von heute auf morgen fast das halbe Team fehlt, dann kann man nicht mehr allen Ansprüchen gerecht werden. Uns konnte anfangs nicht geholfen werden, niemand fühlte sich zuständig, uns Pflegepersonen zu vermitteln. Ich habe zwei Tage lang acht Stunden telefoniert, bis ich zumindest zwei zusätzliche Pflegefachassistentinnen in Ausbildung zugewiesen bekam, eine Leasing-Diplomkrankenpflegerin und einen Leasing-Pflegefachassistentin. Eine riesige Belastung waren auch die langen Wartezeiten auf die Testergebnisse der Pflegepersonen. Manche von uns warteten sechs Tage und mehr, da kommt es auch beim Personal zu sehr viel Unsicherheit, physischer und psychischer Belastung. Ich hatte selbst Symptome und musste drei Tage lang um ein Ergebnis kämpfen. Erst durch die Intervention des Bürgermeisters kam am vierten Tag nach der Testung der negative Bescheid. In dieser Zeit musste ich zu Hause bleiben, als Pflegedienstleitung mitten in einer noch nie dagewesenen Krise, eine schreckliche Situation. Zum Glück waren die notwendigen Computerzugriffe im Vorhinein ermöglicht, sodass ich von zu Hause aus tätig sein konnte. Als wir plötzlich so schnell und intensiv betroffen waren, gab es noch viele behördliche Unsicherheiten, ich denke, dass so manche Schwachstelle inzwischen behoben und verbessert wurde. Uns hat es leider zu früh erwischt.

Was Sie erzählen, macht sehr betroffen und ist für Außenstehende wohl schwer vorstellbar. Wie geht es Ihnen und Ihren Mitarbeiter*innen jetzt nach der akuten Krise? Wie erleben Sie die Stimmung bei den Bewohner*innen?

Barbara Hackhofer: Mittlerweile haben wir die zweite Impfung hinter uns. Der Anteil an verbleibenden nicht geimpften Bewohner*innen bzw. Mitarbeiter*innen ist sehr gering. Leider wurden die einzuhaltenden Maßnahmen immer mehr verschärft, anstatt diese zu lockern. Es kommt vermehrt zu Auffälligkeiten bei den Bewohner*innen und Frustration im Team. Die Kraft, unter diesen Umständen zu arbeiten und viele nicht nachvollziehbare Dinge mitzutragen, geht uns allen langsam verloren. Wir wünschen uns eine schrittweise Rückkehr zu mehr Normalität, ein geplantes dokumentiertes und dadurch kontrolliertes Weglassen der Masken, kontrollierte Reduktion der Schnelltests, eine Erweiterung der Besuchsmöglichkeiten. Wir sind ein kleines Heim und haben die Möglichkeit und den Willen, etwas zu bewirken, doch brauchen wir dazu auch die Zustimmung von Seiten der Behörde. Was ich nun auf alle Fälle noch mehr zu schätzen weiß, ist, dass ich ein Team habe, auf das immer Verlass ist, auch wenn es halbiert ist und auch wenn mir die Mitarbeiter*innen vieles nicht abnehmen können. Auch die so gute Zusammenarbeit mit Heimleiter Heinrich Perwög war und ist extrem hilfreich und wichtig. Stefan Verra schreibt: „Das Leben ist wie eine Sämaschine – was man erntet, hängt davon ab, was man einfüllt.“ Ich habe Gott sei Dank mit dem Richtigen gefüllt.

Interview und Text: Claudia Schwaizer

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