Ansteckend und doch gesund

„Wo gute Stimmung herrscht, gibt es auch Raum und Kraft, die schwierigen, oft sehr herausfordernden Situationen besser zu meistern.“

Ich gehe im Hospizhaus auf unsere Hospiz- und Palliativstation. Eine Pflege-Praktikantin hat ihren letzten Praktikumstag bei uns. Ich bedanke mich bei ihr für ihren Einsatz und frage sie unter anderem, was ihr während ihrer Zeit bei uns besonders aufgefallen ist. Spontan antwortet sie: „Ich hätte nicht gedacht, dass bei euch so viel gelacht wird.“

Wenn das Ende des Lebens unmittelbar bevorsteht, ist dies für die meisten Menschen beängstigend und traurig. In solchen Situationen ist es besonders wichtig, die Betroffenen entsprechend ernst zu nehmen. Lachen und Humor könnten dabei als taktlos empfunden werden. Und doch wird Lachen von den meisten Patient*innen sehr positiv wahrgenommen, wie mir erst vor wenigen Tagen Frau H. bestätigte. Sie sagte: „Es ist so schön, euch lachen zu hören, da krieg ich ein ganz warmes, gutes Gefühl!“ Frau H. hat angesprochen, wie viel ihr die dadurch vermittelte Normalität und das Gefühl der Zugehörigkeit bedeuten.

Humor kann ein Ventil gegen Anspannungen sein

Schwer kranke Menschen leiden oft an Schwäche, Schmerzen oder anderen körperlichen oder psychischen Symptomen. Die Krankheit beeinflusst nicht nur ihren Alltag, auch die sozialen Beziehungen verändern sich und beschränken sich manchmal auf die engste Familie. Einsamkeit und das Gefühl, am Leben nicht richtig teilhaben zu können, sind oft die Folge. Humor kann dabei ausgleichend wirken und wie ein Ventil Wut, Aggressionen und Anspannungen reduzieren helfen. Darüber hinaus fördern Humor und Lachen den Aufbau und die Erhaltung von zwischenmenschlichen Beziehungen. Sie erleichtern den Umgang in heiklen Situationen und können helfen, belastende Gefühle wie Angst, Stress, Frustration oder Ärger abzubauen. Damit können Humor und Lachen einer Person oder einer Gruppe helfen, schwierige Situationen besser zu meistern.

Lachen muss nicht gelernt werden

Lachen ist eine natürliche menschliche Reaktion, die nicht erlernt werden muss. Es ist die erste Interaktion eines Neugeborenen. Mit dem ersten Lächeln nimmt das Baby Kontakt mit seiner Umwelt auf. Noch bevor es sprechen kann, ist ein Kind in der Lage, herzhaft und schallend zu lachen. Diese Fähigkeit bleibt uns Menschen ein Leben lang erhalten. Anatomisch werden beim Lachen 80 Muskeln am ganzen Körper betätigt, 17 davon allein im Gesicht: „Die Augenbrauen heben sich, die Nasenlöcher weiten sich, der Jochbeinmuskel zieht die Mundwinkel nach oben, die Augen verengen sich zu Schlitzen, der Atem geht schneller, die Luft schießt mit bis zu 100 km/h durch die Lungen, die Stimmbänder werden in Schwingung versetzt. Der Schall männlichen Gelächters hat mindestens 280 Schwingungen pro Sekunde, der des weiblichen sogar 500. Das Zwerchfell bewegt sich rhythmisch. Im Gegensatz zu den angespannten Muskeln erschlaffen die Muskeln in der Beinregion.“ (aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Lachen):

Lachen entspannt die Muskeln

Neben dem positiven psychischen Effekt führt Lachen in den meisten Fällen auch zu körperlichen gesundheitsfördernden Reaktionen. Es erhöht den Sauerstoffgehalt im Blut durch eine Verbesserung der Ventilation und eine gesteigerte arterielle und venöse Zirkulation. Es entspannt die Muskulatur, mobilisiert Immunzellen und Phagozyten und hilft so, Infektionen zu bekämpfen. Durch Lachen werden Schmerzen gelindert, weil es ablenkt, Anspannung abbaut sowie Endorphine und Katecholamine ausschüttet.

Obwohl Lachen ansteckend ist, ist es gesund. Eine Kollegin stellte Kuchen, ein hübsch verpacktes Geschenk und Sektgläser auf den Mittagstisch in unserem Wohnbereich, an dem einige Patient*innen gerade mit dem Essen fertig waren. Als „Wichtel“ war sie für die Geburtstagsfeier einer Kollegin zuständig. Wir versammelten uns alle um das Geburtstagskind und sangen ihr ein Ständchen. Singen mit FFP2-Masken ist schwierig, wer es probiert hat, kann „ein Lied davon singen“! Für uns bedeutete es jedenfalls, dass unser Gesang in allgemeines Gelächter überging. Auch unsere Patient*innen lachten mit. Sogar Herrn B., der zuerst mit gesenktem Blick am Tisch saß, huschte ein Lächeln übers Gesicht.

Positive Stimmung ist übertragbar, denn wir Menschen können auch ohne konkrete Informationen „fühlen“, was andere empfinden. Die von Giacomo Rizzolatti und seinem Team entdeckten Spiegelneurone (mirror neurons) oder die Aktivierung des Bindungshormons Oxytocin liefern die neurobiologische Erklärung dazu. Sie beweisen, dass das menschliche Gehirn – und damit wir Menschen – auf Interaktion eingestellt und von Bindungen abhängig sind. „Mind“ und „Brain“ sind miteinander verknüpft. Zwischenmenschliche Beziehungen können daher nicht nur psychische, sondern auch weitreichende biologische Auswirkungen haben.

Humor schenkt Heiterkeit und Leichtigkeit…

Eine positive therapeutische Beziehung basiert auf Vertrauen. Wenn Schwerkranke über ihren bevorstehenden Tod reden möchten, suchen sie sich zumeist eine Person ihres Vertrauens. Humor ist eine Möglichkeit, Zugang zu Patient*innen zu finden, die soziale Bindung aktiv zu fördern und so Vertrauen aufzubauen. Eine heitere Stimmung kann daher helfen, die Voraussetzung für spätere schwierige Gespräche zu schaffen.

So gesehen können Humor und Lachen von unseren Patient*innen sogar als ganz besonders hilfreich und entlastend empfunden werden. Es sind menschliche Phänomene, auf die nicht nur gesunde Menschen Anspruch haben. Das Ziel in Palliative Care ist die bestmögliche Lebensqualität für die Patient*innen und deren An- und Zugehörige. Auch dazu kann Heiterkeit durchaus beitragen.

…und kann helfen das Schwere zu ertragen

Deshalb habe ich mich auch sehr über das Feedback unserer Praktikantin gefreut. Denn miteinander Feiern und Lachen haben bei uns viel Platz. Wo gute Stimmung herrscht, gibt es auch Raum und Kraft, die schwierigen, oft sehr herausfordernden Situationen besser zu meistern. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass alles im Leben gemeinsam leichter gelingt, mit Gelassenheit, positivem Denken und Humor – in schwierigen (Pandemie-)Zeiten wie diesen vielleicht ganz besonders.

Christine Haas-Schranzhofer, Pflegedirektorin Tiroler Hospiz-Gemeinschaft

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Literatur
Bauer, Joachim (2008): Das Gedächtnis des Körpers. Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern, München.
Bischofberger, Iren (2008): Das kann ja heiter werden. Humor und Lachen in der Pflege, Bern.
Goleman, Daniel (2008): Soziale Intelligenz. Wer auf andere zugehen kann, hat mehr vom Leben, München.
London, Fran (2010): Informieren, Schulen, Beraten. Praxishandbuch zur pflegebezogenen Patientenedukation, Bern.
Rösner, Monika (2007): Humor trotz(t) Demenz – Humor in der Altenpflege, Köln.

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