Leserbrief zum Thema Sterbehilfe-Debatte

Gerne teilen wir den Leserbrief von Dr. Elisabeth Medicus, der am 30. April 2021 in der Tiroler Tageszeitung erschienen ist. Dr. Elisabeth Medicus war viele Jahre als ärztliche Direktorin der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft tätig.

Wenn ein Mensch einem anderen Menschen aus Mitleid dabei hilft, seinem Leben ein Ende zu setzen, sollte dieser Mensch nicht dafür bestraft werden. Das ist durch den Verfassungsgerichtshof klargestellt worden.

Doch daraus lässt sich nicht ableiten, dass der assistierte Suizid zu einer Dienstleistung wird, auf die es einen Anspruch gibt.

Selten wollen Menschen in der Situation einer schweren Erkrankung tatsächlich lieber sterben als weiterleben. Hinter dem Sterbewunsch stehen viele verschiedene Gründe und Motive. Dem entsprechend gibt viele verschiedene Möglichkeiten, damit umzugehen. Oft ändert sich dieser Wunsch durch eine Behandlung, durch soziale Umstände.
Manche Menschen hören auch einfach auf zu essen und zu trinken, wenn sie schwer krank und lebenssatt sind. Ich weiß, dass das nicht mit Leiden im Sinne von Hunger oder Durst oder Schmerzen verbunden ist; der Tod tritt meist nach Tagen oder wenigen Wochen ein. Diese Menschen nehmen die Verantwortung für ihr Sterben ganz auf sich. Freilich brauchen auch sie eine sorgende und gewährende Umgebung für diese Entscheidung.

Ein differenziertes Wissen um diese Fragen ist noch nicht verbreitet. Wenn in einer Umfrage nicht zwischen assistiertem Suizid, Tötung auf Verlangen, Therapiebegrenzung, Therapien am Lebensende mit dem Risiko einer Lebensverkürzung unterschieden wird, so sind die Antworten darauf nur sehr bedingt brauchbar. Sowohl die Fragen als auch die Antworten zeigen, dass es noch viel Aufklärungs- und Informationsbedarf gibt. Derzeit fehlen die Wissensgrundlagen für einen gesellschaftlich tragfähigen Konsens.

Laut der kürzlich veröffentlichten Umfrage der Gesellschaft für Humanes Sterben sehen zwei Drittel der Befragten Sterbehilfe in der Hand der Ärztinnen und Ärzten, ohne dass präzisiert wird, was hier mit Sterbehilfe gemeint ist. Längst praktizieren Ärzte und Ärztinnen Sterbehilfe: indem sie Therapien begrenzen oder gar nicht beginnen, indem sie Leiden im Sterben lindern, als Begleitung im Sterben. Wenn körperliches Leiden nur gelindert werden kann mit dem Risiko, das Leben zu verkürzen, so ist das legitim, ja, angezeigt, aber es bedarf immer einer sorgfältigen Abwägung, übrigens nicht nur in der Situation am Lebensende, im Grunde bei jedem Eingriff in den Körper, bei jedem Medikament.

Alles Leiden der Welt zu lindern, kann die Medizin freilich nicht. Das Gefühl der Einsamkeit zu lindern, einander im Angewiesen-Sein zu unterstützen – das zum Beispiel sind gesellschaftliche Aufgaben.

Für den assistierten Suizid gibt es keinen vernünftigen medizinischen Grund. Es mag die höchstpersönliche Entscheidung aus Mitleid geben, einem anderen Menschen anders nicht helfen zu können. Dass diese äußerste Hilfe nicht mehr bestraft wird, lässt sich als Fortschritt begreifen: mit Menschen, die in schwierigen Situationen Mitleid zeigen, soll die Gesellschaft gut umgehen.
Jetzt brauchen wir alle guten Kräfte für Schutzregelungen, die eine Haltung der Sorge füreinander fördern und die verhindern, dass die Mitwirkung an der Selbsttötung zu einer normalen Hilfeleistung oder gar zu einer Dienstleistung im Gesundheitswesen wird.

Elisabeth Medicus, Dr. med. univ., Ärztin für Allgemeinmedizin, Spezialisierung in Palliativmedizin

Elisabeth Medicus war als Ärztliche Leiterin wesentlich am Aufbau der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft beteiligt.

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