Allen ist klar, dass der Abschied naht

Helene Mair-Kogler ist ehrenamtliche Hospizmitarbeiterin bei der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft in Innsbruck. Vergangenen Sommer durfte sie Familie F. auf ihrem kurzen, innigen Weg des Abschiednehmens begleiten.

„Ich werde gewinnen“, sagt Herr F. Das ist bei meinem ersten Besuch. Herr F. ist 66 Jahre alt. Er liegt im ehelichen Doppelbett und ist gezeichnet von seiner Krebserkrankung. Der große Schatten ist das Arztgespräch vom Vortag: „Wir können nichts mehr für Sie tun“, hieß es da. Das ist eine neue Dimension für das Ehepaar F. Frau F. sagt, dass sie die Hoffnung nicht aufgeben wolle.

Immer wieder gehe ich ins Zimmer zu Herrn F. „Sie haben eine schlechte Nachricht bekommen“, sage ich. Herr F. nickt und zuckt mit den Schultern. Es ist klar, dass er nicht aufgeben wird. Er beschreibt seine Schmerzen und will mir die Medikamente zeigen, die er dagegen einnimmt. Ich sage ihm, dass ich keine Krankenschwester bin und davon nicht viel verstehe. „Ich bin da, weil jetzt noch anderes weh tut.“ Herr F. nickt und lächelt mich an. Ich darf sein schmerzendes Bein massieren. Er genießt es mit geschlossenen Augen. Ich bin dankbar, dass eine Beziehung zu wachsen beginnt. Wir vereinbaren, dass ich nächste Woche wiederkomme.

Am Tag vor meinem nächsten Besuch bekomme ich einen Anruf vom Mobilen Palliativteam: „Herr F. wirkt sterbend.“ Ich kann es nicht fassen, plane meine Zeit um, weil ich für die Familie da sein möchte. Am Abend ist auch die Tochter da. Sie wird über Nacht bleiben. Ich erlebe, wie intensiv und liebevoll die Beziehungen untereinander sind, wie wohltuend. Allen ist klar, dass der Abschied naht. Ich bin mir nicht sicher, ob Herr F. die Nacht überleben wird.

Herr F. hat die Nacht überlebt. Ich gehe zu ihm ins Zimmer, er lächelt mich an. Ich darf seine Beine massieren. Reden geht nicht mehr. Im Gespräch in der Küche frage ich, ob sie sich Gedanken gemacht hätten über die notwendigen Dinge danach. Frau F. möchte jetzt nicht darüber nachdenken. „Noch ist er da.“ Ich kann sie verstehen.

Am nächsten Tag empfängt mich Frau F. mit offenen Armen und umarmt mich schluchzend. Ich halte sie im Arm, bis sie wieder ruhig atmen kann. Die Tochter geht leise vorbei. Alles darf so sein, wie es ist.

Herr F. wirkt, als ob jeder Atemzug der letzte sein könnte. Die Fotos seiner geliebten Enkelkinder stehen seit gestern in seiner Blickrichtung. Eine Stunde später kommt der Schwiegersohn mit der fünfjährigen Enkelin. Das Kind ist unbefangen, Herrn F.s Augen leuchten auf.

Herr F. zeigt, dass er trotz Schmerzpumpe Schmerzen hat. Ich rufe das Mobile Palliativteam der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft an. Eine halbe Stunde später ist eine Krankenpflegerin vom Mobilen Palliativteam da und erhöht die Dosis. Herr F. ist die letzten Stunden schmerzfrei. Am Nachmittag verabschiede ich mich von Herrn F. Ich spüre tiefe Dankbarkeit in mir, dieses Abschiednehmen begleiten zu dürfen.

Herr F. stirbt am frühen Abend, „ganz ruhig“, wie mir seine Frau erzählt. „Alle Menschen, die ihm wichtig waren, waren bei ihm.“

ALTRUJA-PAGE-Z4WI

Jetzt online Spenden & liebevolle Begleitung schenken

Weitere Beiträge dieser Kategorie

Ehrenamt

Mit ehrenamtlichen Tätigkeiten das Hospiz unterstützen.

Zwei Frauen, eine sitzt im Rollstuhl

Kontakt

Leiterin Ehrenamt
Mag. Angelika Heim, MSc
+43 5223 43700 33622
von 08:00 – 15:00 Uhr

Über uns

Die Menschen des Hospiz & den Verein kennenlernen.

Kontakt

Allgemeine Anfragen
+43 5223 43 700 33 600
08:00 – 16:00 Uhr (Mo-Fr)

Akademie

Weitere Kurse ansehen und über Hospizarbeit lernen.

Kontakt

Betreuung & Begleitung

Mehr über die Hospizarbeit und das Angebot erfahren.

Kontakt

Für Betroffene & Angehörige
+43 810 96 98 78
08:00 – 20:00 Uhr (Mo-So)

Allgemeine Anfragen
+43 5223 43 700 33 600
08:00 – 16:00 Uhr (Mo-Fr)