Von Wichtigem und Unwichtigem

Ein Beitrag von Maria Streli-Wolf, die einen Tag auf der Hospiz- und Palliativstation verbracht hat.

Gegen 10 Uhr vormittags wird Martha auf der Hospiz und Palliativstation in Innsbruck erwartet – eine Neuaufnahme. Sie wird mit einem Krankentransport aus Deutschland gebracht. Ihr Bruder und eine Freundin werden mitkommen. Ich unterhalte mich mit einer Kollegin im Wohnzimmer der Station im 7. Stock und nehme während des Gesprächs wahr, wie eine attraktive Frau mit wachem Blick im Transportbett über den Gang Richtung Zimmer 3 geschoben wird.

Die Unfassbarkeit, dass unser Leben endlich ist

„Mein Gott“, denk ich mir, „die ist aber noch jung“ und ich frage mich, was ihr in diesem Moment wohl durch den Kopf geht. Wie fühlt es sich an, unheilbar krank zu sein und dann noch an einen Ort zu kommen, wo viele Menschen sterben? Für einen Moment bin ich mit meinen eigenen Gedanken und Gefühlen nicht mehr hier im Raum. Die Unfassbarkeit überkommt mich, dass unser aller Leben einmal enden wird – auch meines.

In dem kurzen Moment, in dem ich Martha gesehen habe, spüre ich, dass sie mich irgendwie anzieht. Ich würde gerne mit ihr sprechen. Soll ich das? Will sie das? Kurze Zeit später kommen ihr Bruder und ihre Freundin auf mich zu und fragen nach einer Busverbindung in Richtung Völs. So komme ich wie vom Zufall geleitet mit ihnen ins Gespräch. Ich erfahre, dass seine Schwester seit vielen Jahren in Vorarlberg lebt und eine sehr selbstbewusste und selbstbestimmte Unternehmerin ist. „Lange, vielleicht zu lange, wollte Martha nicht wahrhaben, dass sie Krebs hat“, erzählt mir ihr Bruder. „Die Hormontherapie in einer deutschen Spezialklinik hat leider nicht die erhoffte Heilung gebracht. Jetzt ist es wohl zu spät.“

Ein paar winzige Bissen Kartoffel

Die beiden reden offen und erzählen mir, dass Martha die Situation akzeptiert habe. Das ermutigt mich und ich klopfe eine Stunde später an die Zimmertüre von Martha. Sie bittet mich herein, ich stelle mich vor und frage, ob ich ein bisschen mit ihr sprechen dürfe. Sie bietet mir einen Stuhl an, neben ihrem Bruder und ihrer Freundin.

Wir verstehen uns auf Anhieb. Sie erzählt mir, dass sie in den letzten Wochen künstlich ernährt werden musste und solche Sehnsucht hatte, etwas „Gescheites“ zum Essen zu bekommen. Jetzt habe sie gerade eine heiße, gekochte Kartoffel gegessen. „Nur ein paar winzige Bissen, aber der Geschmack im Mund war einfach wunderbar“, erzählt sie strahlend.

Wichtiger als die Post

„Es war meine Freundin, die mich davon überzeugt hat, für meine letzte Lebenszeit wieder in meine Heimat nach Tirol zurückzukehren, und ich spüre, es war die richtige Entscheidung. Es tut so gut, wieder Tirolerisch zu hören“, sagt sie und lächelt.

Während des Gesprächs fällt ihrem Bruder ein, dass sich ihre gesamte Post noch zu Hause in Vorarlberg stapelt und kein Nachsendeauftrag erteilt worden ist. Er ärgert sich, dass er das vergessen konnte. Ich meine: „Vielleicht waren in den letzten Tagen und Wochen andere Fragen wichtiger als die Post?“ Meine Bemerkung beruhigt ihn nicht wirklich. Er bietet an, gleich morgen nach Vorarlberg zu fahren, um die Post zu holen. Woraufhin Martha ruhig und bestimmt meint: „Es gibt Wichtigeres als die Post.“

Martha hat Krebs, und der ist unheilbar. Sie hat keine Scheu, darüber zu sprechen, dass sie nicht mehr geheilt werden kann. Wichtig ist für sie jetzt, dass ihr Leben nicht künstlich verlängert wird. „Vor dem Tod habe ich keine Angst. Ich bin ein sehr spiritueller Mensch. Vor dem Leiden bis dorthin schon“, sagt sie. „Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, ins Hospiz zu kommen, weil ich weiß, dass hier alles getan wird, um mein Leiden zu lindern.“

Maria Streli-Wolf
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